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Meinungsäußerung

Nationalstaaten in Europa zwischen eigener Identität und Zwang zur Globalisierung – Nur mit wem?

Nationalstaaten in Europa zwischen eigener Identität und Zwang zur Globalisierung - Nur mit wem?

Ein Widerspruch in sich? Wie Feuer und Wasser? Wie geht das zusammen?
Globalisierung durch weltweiten Handel und internationale Verflechtungen der einzelnen nationalen Volkswirtschaften ist in unserer schnelllebigen Zeit existenziell. Import und Export bestimmen das Zusammenleben in Europa und der Welt. Ein starkes Europa ist wichtig für seine Nationalstaaten im weltweiten Handel.

Bis 1990 gab es in Europa zwei Wirtschaftssysteme. Im Ostblock den RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe), im Westen Europas die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft). Ziel beider Zusammenschlüsse war es, als Gemeinschaft wirtschaftliche Vorteile zu Gunsten aller dazugehörigen Nationalstaaten zu nutzen und damit wiederum zum Wachstum der gesamten Gemeinschaft beizutragen. Dazu gab es entsprechende Verträge, auf deren Einhaltung streng geachtet wurde.

Noch hinzuweisen wäre, dass auf militärischer Ebene im Osten der Warschauer Pakt und im Westen die NATO existierten.

Mit der „Vereinigung“ von Ost – und Westdeutschland im Jahr 1989/90, verständigten sich die „Siegermächte“, dass der Warschauer Pakt im Osten Europas unter Einhaltung von Bedingungen aufgelöst wird. Die wesentliche Bedingung von Russland war, keine Stationierung von NATO – Truppen auf dem Territorium des ehemaligen Warschauer Paktes. Dem folgte dann der Abzug aller russischen Truppen. Russland hat sich an die Vereinbarung gehalten. Die NATO hat trotz geschlossener Vereinbarung allerdings Truppen in diesem Gebiet stationiert. Soviel zu Vertragstreue.

Parallel dazu löste sich der RGW auf. In der Folge konnten sich deren Mitgliedstaaten in eine gemeinsame europäische Lösung einbringen. Somit war der Grundstein eine Wirtschafts– und Währungsunion der ost- und westeuropäischen Staaten gelegt. Nach langwierigen Verhandlungen wurde die Vereinbarung dazu von den Repräsentanten der europäischen Staaten unterzeichnet und zwischen 1999 und 2001 sukzessive umgesetzt.
Ein wesentlicher Grundsatz war, dass jeder einzelne Nationalstaat im Verbund wirtschaftlich und finanziell eigenständig unter dem Dach der EU bleibt. Traditionen und Eigenheiten der Staaten, so war die Forderung, sollten erhalten bleiben.

Gleichzeitig hatte sich jeder Staat, der beitreten wollte, zu verpflichten, die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen zum Beitritt zu schaffen und zu akzeptieren. Darauf werde ich zu einem späteren Zeitpunkt näher eingehen.
Ziel des Verbundes war außerdem die Schaffung einer Währungsunion. Eine solche einheitliche Währung hatte nach beauftragter Expertenmeinung mehr Vorteile als Nachteile. Kritiker die die Flexibilität von Landeswährungen zum Ausgleich noch vorhandener Unterschiede in der Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten als wesentlich günstiger erachteten, konnten sich nicht durchsetzen. Das Todschlagargument für eine einheitliche Währung war: Der Bürger kann sich das Umtauschprozedere bei Grenzübertritten ersparen. Dies führte dann auch mehrheitlich zur Zustimmung der Bevölkerung in den europäischen Staaten. Unter der Voraussetzung, dass die Nationalstaaten für Ihre Finanzen weiterhin eigenverantwortlich sind, flossen die Kriterien von Kopenhagen 1993 auch 1999 mit in die EU-Verträge ein. Die „Kopenhagener Kriterien“ fordern von beitrittswilligen Staaten:

  • Institutionelle Stabilität als Garantie für demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten.
  • Eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck der Marktkräfte innerhalb der EU standzuhalten.
  • Die Fähigkeit, die aus einer Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen zu erfüllen. Einschließlich der Fähigkeit, die zum EU-Recht (dem „Besitzstand“) gehörenden gemeinsamen Regeln, Normen und politischen Strategien wirksam umzusetzen. Sowie die Übernahme der Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion.

Für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen muss ein Land diese Kriterien erfüllen. Somit waren vor 2001 die Voraussetzungen für die Währungsunion geschaffen und zwischen den Staaten Einvernehmen hergestellt.

Im Rahmen einer funktionierenden Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit waren Kennzahlen zur wirtschaftlichen Leistungskraft eines jeden Nationalstaates ein wichtiges Beitrittskriterium. Die Zahlen wurden geprüft und danach über eine Aufnahme entschieden. Entsprachen die Zahlen nicht den Vorgaben, wurde die Aufnahme verweigert und der jeweilige Staat aufgefordert weiter an seiner Wirtschaftskraft zu arbeiten, um eine spätere Aufnahme zu ermöglich.

Mittlerweile wissen wir, dass einzelne Staaten ihren Beitritt nur mit „angepassten Zahlen“ erschlichen haben. Hier hätten die Statistikbehörden der EU genauer hinschauen müssen, um diese Fehler zu vermeiden, der dann milliardenschwere finanzielle Konsequenzen nun nach sich gezogen hat. Dies zeigt das Beispiel Griechenland deutlich. Es bewahrheitet sich die uralte Weisheit: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Später mehr.

Auch die Möglichkeit des Austritts eines Nationalstaates aus dem EU-Verbund scheint bei den Vertragsverhandlungen keine Rolle gespielt zu haben, sonst hätte es für den Austritt Großbritanniens 2020 vertragliche Regelungen gegeben. Ein Unding für einen solch weitreichenden Vertrag.

Was die Verträge zur EU aus 1999/2001 wert sind, haben wir in den letzten 20 Jahren erlebt. Einige Beispiele:

  • Eintritt Griechenlands, mit Angabe falscher Zahlen und in der Folge die Überschuldung. Statt Sanktionen bis hin zum Ausschluss, sind dreistellige Milliardenkredite aus dem Topf der EZB, in die die Steuerzahler aller europäischen Länder einzahlen müssen, geflossen.
  • Seit Jahren Millionenzuschüsse für die Türkei von der EZB, damit diese die Beitrittsvoraussetzungen (Kopenhagener Kriterien) in die EU schafft. Bis heute glücklicherweise ohne Erfolg, trotz der Zahlungen.
  • Keine Festlegungen, wie in den Vertrag vereinbart, zur Sicherung der EU – Außengrenzen, was die hohen Zahlen illegaler Zuwanderung seit 2015 belegen.
  • Die Folge war, dass die Aufnahmeländer die Asylsuchenden einfach weiter nach Deutschland durchleiteten, was ein weiterer Verstoß gegen die vertraglichen Regelungen in der EU war. Die sich anschließende Terrorwelle, breitete sich dann allerdings über Europa aus und verursachte Tragödien und den Vertrauensverlust in die Politik.
  • Kein vertraglich geregeltes Prozedere zum geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU im Jahr 2020.
  • Keine Regelung zur Umverteilung von Einzahlungsausfällen
  • u.v.m.

Es ist wie bei jedem Vertrag, der nicht alles umfänglich regelt. Streit und Verluste sind vorprogrammiert. Im Kleinen funktionieren Rechtsgeschäfte. Im Großen scheinen es nur Willensbekundungen ohne Konsequenzen für die politisch Verantwortlichen zu sein. Die Steuerzahler der Mitgliedsstaaten sind schlussendlich die, die die Suppe auslöffeln dürfen.

Corona spitzt 2020 die Lage noch zu. Weit mehr als eine Billion € (1.000.000.000,00 €) werden durch die EZB neu gedruckt und nach „Bedürftigkeit“ in der EU verteilt. Hilfe ist richtig. Nur hat einer der „Verteiler“ einmal gesagt, wo für dieses Geld die Wertschöpfung herkommen soll, d.h. wer es wann erwirtschaftet und zurückzahlt?
Dem Bürger mit normalem Menschenverstand stellen sich solche Fragen, denn er kann nur das ausgeben was er hat. Oder er hofft auf einen Kredit, den die Bank ihm nur gibt, wenn er durch Werte gedeckt ist und er finanziell in der Lage ist, diesen Kredit inklusive Zinsen in einem vereinbarten Zeitraum zurückzuzahlen. Das ist eben der Unterschied zwischen Politikern und Bürgern. Gelten Grundsätze und Regeln nicht für alle gleich?
Wie kommen wir aus diesem Dilemma? Als einzelne Bürger schaffen wir das nicht. Wir brauchen eine Interessenvertretung in Form einer Partei/Gruppierung, die tatsächlich unsere Interessen als Bürger und Steuerzahler vertritt und nicht nur vor Wahlen davon spricht. Haben wir eine solche Partei?

Bevor diese Frage beantwortet wird, ist es wichtig zu wissen, welche Interessen diese Partei/Gruppierung vertreten soll. Dazu die wesentlichsten gesellschaftlichen Schwerpunkte:

A) Global

  1. Freier Welthandel: Ja, unter Einhaltung von Vereinbarungen, Beachtung von Sozialstandards und wissenschaftlich fundierten ökologischem Bewusstsein.
  2. Globalisierung: Ja, jedoch nicht um jeden Preis. Lebenswichtige Versorgungsmittel sollten lokal hergestellt und gelagert werden. So z.B. Mund-Nase-Schutzmasken in Corona – Zeit.
  3. Digitalisierung: Ja, bei Zähmung des Digital – und Finanzkapitalismus ist notwendig, um solche Auswüchse wie bei der Immobilienblase 2008 zu vermeiden.
  4. Eigenständigkeit der Nationalstaaten: Ja. Die Eigenständigkeit der Staaten ist und bleibt auch innerhalb der EU, sowohl wirtschaftlich als auch finanziell unantastbar.
  5. Zusammenarbeit in der EU: Ja. Die Regelungen sind zu aktualisieren und die Aufgaben der Kommission auf das Notwendigste zu beschränken. Mittlerweile wissen wir, dass der Krümmungsradius der Gurke kein Thema für die EU sein sollte. Auch die Einzahlungsbeträge müssen nach dem Austritt Großbritanniens neu verhandelt werden. Haben sie dazu schon einmal etwas Greifbares aus der EU vernommen?
  6. Angleichung sozialer Komponenten: Ja. Um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Nationalstaaten hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit durchführen zu können, ist z.B. die Lebensarbeitszeit, sprich das Renteneintrittsalter und der prozentuale Rentenbetrag zum Arbeitslohn bzw. der Pension in einem festgesetzten Zeitfenster zu vereinheitlichen. Dies betrifft noch eine Vielzahl von weiteren Einflussfaktoren, durch die die Wirtschaftskraft der Nationalstaaten beeinflusst wird. Gelingt die Angleichung nicht, ist eine Vergleichbarkeit der Nationalstaaten objektiv nicht möglich und muss unterbleiben.
  7. Neuausrichtung der Finanzpolitik der EZB: Ja. Die EZB darf nicht zum Selbstbedienungsladen in Europa verkommen, sondern hat grundsätzliche die Ausrichtung der Finanzpolitik der EU zu koordinieren.
  8. Werteunion: Ja. Eine moderne Gesellschaft funktioniert, wenn sie eine eigene Vergangenheit hat, zu der sie steht. Sie kennt ihre Vorteile und Nachteile und ist in der Lage, dies objektiv zu bewerten. Eigene Werte sind zu pflegen, ohne den Blick auf Neues zu verschließen. Hilft es uns, ist es gut für uns. Schadet es uns, ist es zu verneinen.
  9. Demographie in den Ländern bewerten: Ja. Der Lebensbaum einer jeden Gesellschaft muss die Grundlage des eigenen Handelns sein. Nur wenn die Verteilung der Kinder/Jugendlichen, der Arbeitenden und der Senioren in einem ausgewogenen Verhältnis steht, kann ein Sozialstaat, wie unserer, auf Dauer existieren. Hierfür sind vorrangig alle Möglichkeiten zur demographischen Umwandlung zu nutzen. Kinder zu bekommen, auch wenn die Eltern im Arbeitsprozess stehen, muss sich nicht nur finanziell lohnen, sondern der Arbeitsplatz muss bis nach der Elternzeit geschützt sein.

B) National

  1. Schaffung der tatsächlichen Einheit zwischen Ost und West in Deutschland.
  2. Staatliche und industrielle Forschung müssen sich wieder lohnen.
  3. Für Eltern, die einer Arbeit nachgehen, muss die Kinderbetreuung gewährleistet werden.
  4. Allgemeinbildung für alle, ist die Basis für die Berufsausbildung. Die Berufsausbildung muss ohne Einschränkung für alle möglich sein.
  5. Förderung der Eliten unabhängig von den Schichten in der Gesellschaft.
  6. Es besteht das Recht auf vorhandenen Arbeitsplätzen eingesetzt zu werden, aber auch die Pflicht zur Arbeit.
  7. Das Steuersystem sollte einfach, nachvollziehbar und effizient umsetzbar sein. Das deutsche Steuersystem ist deshalb von der Vielzahl der Ausnahmen zu endfrachten, zu vereinfachen und gerechter zu machen. Steuerflucht und Steuerdumping ist auszuschließen. Verteilung der Steuereinnahmen vom Bund zum Land und den Kommunen ist den jeweiligen Erfordernissen anzupassen.
  8. Ein Sozialversicherungssystem angepasst auf den Lebensbaum und Motivation zur Eigenversorgung ist notwendig.
  9. Ein Rentensystem ist zu organisieren, in das alle einzahlen die einer Tätigkeit nachgehen. Also auch Beamte in gleicher Höhe wie der „Rest“. Dies mit Blick auf die junge Generation.
  10. Rechtsstaatlichkeit für das Zusammenleben im Land, muss für „Großköpfige“, Normalbürger, Zugezogene, Asylsuchende usw. im gleichen Maße gelten. Parallelgesellschaften und Clanbildung sind ausgeschlossen. Hierfür sind dem Gewalt – und Justizmonopol des Staates alle notwendigen Mittel, um Recht und Ordnung durchsetzen zu können, zur Verfügung zu stellen. Meinungsfreiheit gilt für alle, wenn sie nicht andere diskriminiert.
  11. Wer in Deutschland leben will muss nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung die deutsche Sprache sprechen und einer geregelten Arbeit nachgehen. Dies ist in einem Einwanderungsgesetz zu fixieren. Allerdings auch, was mit denen geschieht, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Wir können nicht das Sammelbecken derer werden, die nur den Sozialstaat egoistisch zu ihrem eigenen Vorteil nutzen wollen, ohne sich an der Mehrung des Bruttosozialproduktes beteiligen zu wollen.

Nun zurück zu der Frage: Haben wir eine solche Partei?

Bewerten Sie diese Kriterien, dann beantwortet sich diese Frage von selbst. Ja es wäre wünschenswert das eine Partei/Gruppierung solche Grundregeln für sich erkennt und für die Menschen im Land umsetzt. Gegenwärtig kann ich dies in Gänze nicht erkennen.
Dazu braucht es eine uneigennützige Führungspersönlichkeit, die sich als Interessenvertreter der Bürger im Land sieht und europäisch denkt. Um diese Führungspersönlichkeit herum sich loyale und gleichgesinnte Fachleute notwendig, die mit Kompetenzen ausgestattet sind und zielorientiert entscheiden können. Lobbyisten sind entbehrlich.

Es stellt sich die Frage: Wie lässt sich das umsetzen?

Vor der Wahl wird von Parteien/Gruppierungen immer alles Mögliche versprochen. Sie halten es entweder nach der Wahl selbst nicht ein, oder durch das Eingehen von Koalitionen bleibt meist vieles auf der Strecke. Unser Land ist gesellschaftlich gespalten. Eine Verschiebung von Mehrheiten können nur die Wähler und bisherigen Nichtwähler durch Ihr Wahlverhalten erreichen.

Wir reden hier von einem Prozess der Jahre dauern kann und wird. Eine Interessenvertretung die tatsächlich die wirtschaftlichen, sozialen und umweltnotwendigen Aspekte für den Bürger vertritt ist noch nicht erkennbar.
Dennoch. Bleiben sie streitbar für

  • eine soziale, eigenständige deutsche Gesellschaft,
  • eine vernünftige Zusammenarbeit innerhalb der EU und
  • in der globalisierten Welt,

zum Wohle der nächsten und folgenden Generationen.

Gera, 03.10.2020
Dr.-Ing. Ulrich Porst